30. Dezember 2020 - 18:54
Im Nachhinein betrachtet, lässt das Jahr 2020 alle vorherigen Schwierigkeiten lediglich wie einen kleinen Schnupfen erscheinen. War es für den deutschen Rennsport in der jüngsten Vergangenheit eh schon ein oftmals recht steiniger Weg, wurden die Herausforderungen durch Corona natürlich nochmal deutlich größer und gerade am Anfang, als noch gar nicht abzusehen war, ob und wann es wieder Rennveranstaltungen gibt, hatte man manch schlaflose Nacht.
In jeder Krise gibt es auch Profiteure und in dieser sind es wahrscheinlich z.b. große Online-Riesen oder Hersteller relevanter Produkte aber die spielen in einer anderen Liga und zu der gehört der Rennsport leider nicht – wir sitzen im gleichen Boot wie die vielen anderen Branchen, denen zwar nicht vollends der Boden unter den Füßen weggezogen wurde aber ein erheblicher Teil der Einnahmen wegbrach.
Als die Rennen wieder losgingen und dann auch ein paar innovative Leute die Aktion „Wetten dass...“ ins Leben riefen, war es als wäre plötzlich die Straßensperrung wieder aufgehoben und der Verkehr konnte an der Unfallstelle vorbeirollen. Zwar nur einspurig und mit Tempo 30 aber zumindest wurde wieder gefahren. Aber nicht nur „Wetten dass...“ setzte ein positives Signal, die immer sehr erfrischenden und auch für den Laien verständlichen Übertragungen mit einem stets gut aufgelegten und unermüdlichen „Thorsten, erstmal danke...“ Castle ließen die Veranstaltungen trotz fehlender Zuschauer nie trostlos und öde erscheinen und boten dem Rennsport eine sehr lebendige Plattform in der Öffentlichkeit.
Die zu Anfang gezeigte Solidarität der Leute brökelt aber leider langsam da es halt einfach ist wie es immer ist – jeder hat seine eigenen Überzeugungen wie der Rennsport durch die Krise kommen soll und wie er überhaupt im Ganzen gerettet werden kann. Die eigene Meinung soll jeder haben und auch sachlich kommunizieren aber die sehr in Mode gekommene Krankheit – gerade auch über die sozialen Medien- „Wer gröhlt, hat Recht“ hat leider auch den Rennsport befallen.
Löste vielleicht die ein oder andere Personalentscheidung auf Führungsebene in der Vergangenheit Verwunderung, Unbehagen oder was auch immer aus, kann man Herrn Dr. Michael Vesper als Kapitän des Deutschen Galopps nur als absoluten Glücksfall bezeichnen und wenn einer einem das Gefühl gibt, nicht auf der Titanic unterwegs zu sein, dann bestimmt er und seine engagierten Mitstreiter und alle Gröhler sollten – wie Wolfgang Schäuble damals als Finanzminister meinte - einfach mal die Klappe halten.
Aber selbst wenn es scheint, als würde sich dieses Jahr alles nur um Corona drehen – es gibt auch noch das „normale Leben“ und das kann ebenfalls sehr bitter sein. Am 15. April verstarb unser langjähriger Mitarbeiter Wojtek Dworczynski, der es nicht mehr lange zur verdienten Rente und einem schönen Lebensabend in seiner Heimat Polen gehabt hätte. Man kommt heute noch oft auf den Hof und erwartet schon fast von irgendwo her sein schepperndes Lachen zu hören. Wojtek hat eine echte Lücke im Team hinterlassen und seine ihm so heilige Wohnung, die er über 20 Jahre bewohnt hat, auszuräumen, war schon sehr traurig. Nicht unbedingt traurig, vielleicht eher etwas enttäuschend oder ernüchternd war Bauyrzhan Murzbayevs Entscheidung, Ravensberg nach drei sehr harmonisch geprägten Jahren zu verlassen. Wirtschaftlich gesehen kann man seinen Schritt natürlich aber schon verstehen. Einen Nachfolger zu finden ist eine Aufgabe, die sich der Trainer im Moment widmet und er hat sich dafür auch einen äußerst versierten „Headhunter“ mit ins Boot geholt. Waren die Beiden erfolgreich, werden wir berichten.
„Die erfolgreichsten Vaterpferde im Jahr 2020 (In- und Ausland, Zweijährige)“ - es scheint gerade erst gestern gewesen zu sein als Independent Miss Anfang März 2013 auf Gestüt Auenquelle einen Hengst von Lord of England auf die Welt brachte. Damals hieß er noch Inuit, wurde aber später von seinem neuen Besitzer Darius Racing umbenannt und als Isfahan avancierte er 2015 zum Winterfavoriten und setzte sich 2016 als Derby-Sieger die Krone auf. Isfahan danach als Deckhengst in Gestüt Ohlerweiherhof aufzustellen, war ein sehr mutiger Schritt von Dr. Stefan Oschmann und wenn man bedenkt – ohne jemandem zu nahe treten zu wollen – dass Isfahan's erste Freundinnen nicht zur Top-Garde der Mutterstuten gehörten, ist das bisherige Ergebnis umso erfreulicher. Auch wenn dieser sanftmütige Riese ja schon lange nicht mehr in unserem Besitz ist, bleiben wir immer seine Züchter, verfolgen seine Karriere als Deckhengst, die seiner Produkte auf der Rennbahn und sind schon sehr stolz auf ihn.
Sportlich gesehen war das Jahr 2020 nicht ganz so aufregend und für die großen Rennen fehlten die entsprechenden Pferde. Für Freude sorgten aber auf jeden Fall so treue Seelen wie Majestic Colt oder Sanora, die sich mit jedem Start enorm steigerte und bis zur Gr. III-Siegerin aufstieg. Ashrun hätte am Ende der Saison vielleicht unter glücklicheren Umständen für das absolute Highlight sorgen können aber vielleicht hat er ja nächstes Jahr eine zweite Chance dazu.
Wirtschaftlich gesehen war das Jahr eher eine Katastrophe da sich zwar die Rennpreise fast gänzlich halbierten aber die Kosten für die 30h große Trainingsanlage auf Ravensberg die gleichen blieben. Auch unsere Mitarbeiter sind natürlich davon betroffen da sich ja auch die Stallprozente halbierten und sie so um den verdienten Bonus für ihre stets sehr engagierte Arbeit gebracht wurden. Jeder, der öfters mal auf dem Hof kommt, weiß, dass die Stimmung immer sehr entspannt ist und das hat sich Gott sei Dank auch durch Corona nicht geändert. Allein schon die Tatsache, dass wir nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind, hat manchmal etwas von Inselleben und das gibt einem in diesen Zeiten schon fast ein gutes Gefühl.
Es gibt immer Dinge, die man hätte besser machen oder hätten besser laufen können aber im Moment sind andere Sachen einfach wichtiger und mehr denn je würden wir uns für den Sport dieses Gemeinschaftsgefühl aus dem Frühjahr wünschen und dass einfach jeder seinen Beitrag dazu leistet damit es kontinuierlich wieder aufwärts gehen kann. Traut man Google, wurde das erste organisierte Galopprennen auf deutschem Boden 1822 ausgetragen und in dieser Zeit hat dieser tolle Sport Kriegen, Wirtschaftskrisen, Armut getrotzt und nichts von seiner Faszination eingebüßt – wollen wir das nach über zwei Jahrhunderten jetzt wirklich in den Sand setzen?
Trotz aller Widrigkeiten wünschen wir Ihnen einen friedlichen Jahreswechsel, ein 2021, das gute Laune macht und bleiben Sie gesund!