Storys
Wiesenpfad - Deckhengst der Stunde
von Daniel Delius
Quelle: Turf-Times v. 05.09.2013
Wenn in diesen Tagen in Australien die ersten Shuttle-Hengste aus England und Irland ihrer Tätigkeit nachgehen, dann genießt er die letzten Sommertage im Gestüt Trona in Schneverdingen auf der Koppel. Dort hat ihn Dominik Moser am Mittwoch fotografiert: Wiesenpfad, fraglos der Hengst der Stunde in der deutschen Vollblutzucht. Und im Gegensatz zu manch anderem Vererber hierzulande war er auch im Frühjahr nicht gerade voll beschäftigt. Sieben Stuten hat er gedeckt, kommerziell völlig unbedeutend.
Aber was in den letzten Tagen in Iffezheim passiert ist, das ist schon ungewöhnlich. Am Mittwoch gewann Abendwind, sein erster Starter, sein erster Sieger überhaupt, mit dem Zukunfts-Rennen eine der wichtigsten Zweijährigen-Prüfungen des Landes. Und 48 Stunden später wurde aus seinem zweiten Jahrgang Salwina die Salestopperin der BBAG-Jährlingsauktion, einer der teuersten Jährlinge, der jemals in Iffezheim zugeschlagen wurde. "Es hat sich gelohnt, Wiesenpfad zu vertrauen", war der Tenor der Familien Harzheim und Remmert, die hinter dem Hengst stehen.
Wohl war, was sich exemplarisch an beiden Nachkommen festmachen lässt. Abendwinds Mutter Adela war eine durchschnittliche Rennstute, die bei wenigen Starts dreijährig für Christian von der Recke drei Rennen gewann. Abendwind ist ihr fünfter Nachkomme, zu erwähnen ist zuvor nur Alpha (Electric Beat), die immerhin listenplatziert gelaufen ist. Adelas Vater Tannenkönig (Fairy King) war ein durchschnittlicher Vererber, doch Harro Remmert hatte sich daran erinnert, dass er einst Auenliebe (Pentathlon) trainiert hatte, die gewann 1986 im Alter von drei Jahren zwei 1000-m-Rennen in Ostende. Das liegt schon ein paar Tage zurück und Adela nur anzupachten, um bei einer Paarung mit Wiesenpfad mehr Schnelligkeit in die Linie zu bekommen, ist schon gewagt genug. Zudem war Auenliebe, die vierte Mutter von Abendwind, keine bedeutende Zuchtstute. Über ihre Tochter Adonara (Acatenango) kam es zu Adora (Danehill), die kein einziges Black Type vererbte - die Väter der Mütter konnten sich sehen lassen, die Nachkommen sind allenfalls mit dem Prädikat "nützlich" zu versehen. Aber wegen Auenliebe wurde Adela ein Jahr gepachtet, das Ergebnis war Abendwind, der allerdings auf das Zuchtkonto des Gestüts Trona geht.
Ein Risiko ging das Gestüt Bona auch mit Saldentigerin (Tiger Hill) ein. Die einst als Jährling von Wittekindshof gekaufte Stute ist eines der Kronjuwelen in der Zucht des Gestüts Bona, sie ist Gr. III-Siegerin und war Zweite im Preis von Europa (Gr. I). Fairerweise muss angemerkt werden, dass zum Zeitpunkt der Bedeckung mit Wiesenpfad, also im Frühjahr 2011, ihre Qualitäten auch als Mutterstute noch nicht offensichtlich waren. Ihr Erstling kam nicht an den Start, Salut (Lomitas) war gerade einmal dreijährig und die vorjährige Henkel-Preis der Diana (Gr. I)-Siegerin Salomina (Lomitas) zu jenem Zeitpunkt erst wenige Monate im Rennstall von Peter Schiergen.
Exakt zwanzig Nachkommen hat Wiesenpfad bisher. Bei dieser Zahl ist ihr Schicksal natürlich problemlos zu recherchieren. Acht lebende Fohlen gab es im ersten Jahr. Abendwind kennen wir inzwischen. Island Storm, aus der Iaskre gezogen vom Gestüt Simmenach, steht für Heide Harzheim bei Waldemar Hickst. In diesen Farben könnte auch Pamina antreten, die Irmgard Münten und Ines Raabe gezogen haben, eine Halbschwester des guten Palermo (Kalatos), sie wird von Peter Schiergen trainiert. Im Besitz des Schweizer Stalles Chevalex ist Alpwiese, eine Tochter der Anissina (Second Set), von deren vier anderen Nachkommen bisher keines die Rennbahn betreten hat, eine echte Herausforderung für den Vater. Von den übrigen vier jetzt Zweijährigen von Wiesenpfad sind zwei noch im Gestüt, zwei andere sind in Polen bzw. Tschechien, mutmaßlich im Training.
2011 kamen neun "Wiesenpfade" zur Welt, Bona hatte neben Salwina noch Bergwind (a. d. Beirut) und Zaria (a. d. Zypern), beide stehen wie der von Wolfgang Bartel u.a. gezogene Lavaduo (a. d. Lavender Blue) in Erftmühle. Dr. Werner Spangler und das Gestüt Buschhof haben je eine Stute, die Züchterin Anne Römer einen Hengst. Das Gestüt Trona besitzt zwei Jährlinge, ein naher Verwandter zu Abendwind namens Atreju wird bei der BBAG-Herbstauktion in den Ring kommen.
Gar nur drei Köpfe umfasst der Jahrgang 2013, drei Stuten, darunter eine Tochter der Sahara, eine Schwester von Salwina. Und in diesem Jahr hat Wiesenpfad sieben Stuten gedeckt, sechs sind tragend. Ausgelastet sind andere.
Dabei, es sollte noch einmal erwähnt werden, stammt der jetzt Zehnjährige aus einer der besten Familien des deutschen Turfs, hat bei 19 Starts neun Rennen gewonnen, sechs davon auf Gruppe-Ebene. Trotzdem haben fremde Züchter um ihn bisher einen großen Bogen gemacht. "Die Decktaxe bleibt unverändert", heißt es. Die lag bisher offiziell bei 2.500 Euro, doch liegen wir bestimmt nicht falsch, wenn bei einem gewissen Verhandlungsgeschick bislang auch weniger möglich gewesen wäre. Mal abwarten, was im kommenden Frühjahr passiert.
Neuer Deckhengst: Wiesenpfad
von Daniel Delius
Quelle: Turf-Times, Ausgabe 97
Es ist schon eine bemerkenswerte Story, die von Wiesenpfad, den sich die Familie von Harro Remmert auf der Koppel in Ravensberg ausgesucht hat, der in Simmenach groß, in Schlenderhan eingeritten und im Stall von Waldemar Hickst zu einem echten Star wurde.
Die 1943 geborene Stute Waldrun gehört zu den einflussreichsten deutschen Zuchtstuten der letzten sechzig Jahre. Eine Vielzahl von erstklassigen Pferden geht auf sie zurück, viele gute Hengste und auch Stuten. Ravensberg hat mir ihr und ihren Töchtern zwei Derbysieger und eine ganze Reihe von Grand-Prix-Pferden gezogen. Sehr gute Hengste waren etwa Windfang, Waidmann und Windbruch, die aber aus diversen Gründen nicht in der Zucht eingesetzt werden konnten oder nur einen geringen Einfluss hatten. Anders war das bei Windwurf, der sich insbesondere als Stutenvererber auszeichnet und dessen Namen man aktuell noch in vielen wichtigen Pedigrees findet. Mit Wiesenpfad hat jetzt seit einer längeren Pause die Waldrun-Familie wieder einmal einen Deckhengst im Einsatz, nachdem die Schlagzeilen der Linie in jüngerer Zeit mehr den Stuten gehörten. Wiesenpfad, einer der populärsten Mitteldistanzler der jüngeren Zeit in Deutschland, steht im Gestüt Trona der Familie Moser nahe Schneverdingen.
Seine Abstammung ist auf den ersten Blick eher unauffällig. Sein Vater ist der Gr. I-Sieger Waky Nao (Alzao), 1993 geboren, erfolgreich in zehn Rennen, u.a. im Premio Vittorio di Capua (Gr. I) und in der Berlin Brandenburg-Trophy (Gr. II), eines der wenigen deutschen Pferde, das beim Breeders´ Cup an den Start ging, wenn auch erfolglos. Sieben Jahre deckte Waky Nao in Deutschland, der jüngste deutsche Jahrgang ist jetzt vier Jahre alt geworden. Er startete mit kopfstarken Jahrgängen, das ließ später nach, wobei mehrere Standortwechsel sicher kaum glücklich waren. Er ging dann nach Irland, wo er im Bert House Stud vornehmlich in der National Hunt-Zucht tätig ist. Das macht auch durchaus Sinn, denn er hat einige sehr interessante Nachkommen auf diesem Sektor, den Baden-Badener Gr. II-Sieger Sweet Wake etwa in Irland oder Wutzeline in Frankreich. Wiesenpfad ist aber sicher sein bisher bester Nachkomme.
Wiesenpfads Mutter Waldbeere ist nicht gelaufen, sie war bereits bei Harro Remmert im Rennstall, doch konnte sie nicht heraus gebracht werden. Wiesenpfad ist ihr Erstling, er ging noch auf Ravensberger Zuchtkonto, anschließend wurde sie an das Gestüt Brümmerhof verkauft. Dort brachte sie zunächst die talentierte Waldliebe (Kabool), die zweijährig Siegerin war, sich aber beim zweiten Start dreijährig eine irreparable Fraktur zuzog. Waldlord (Polish Precedent) ist vierjährig, aber noch sieglos, aktuell hat Waldbeere eine Jährlingsstute von Monsun. Waldbeere ist Tochter der großartigen Rennstute Wurftaube, die bei zehn Starts sieben Rennen gewann, fuchsfarben wie Wiesenpfad ist und auch bei Harro Remmert stand. Die sieben Siege errang sie in ununterbrochener Reihenfolge, das Deutsche St. Leger (Gr. II) und der Gerling-Preis (Gr. II) waren die wichtigsten Treffer. Vielleicht wäre noch mehr möglich gewesen, doch musste Wurftaube ihre Karriere nach dem zweiten Platz im Deutschland-Preis (Gr. I) beenden. In der Zucht hat sie u.a. den Listensieger Waldvogel (Polish Precedent), die in England Gr. II-platzierte Waldmark (Mark of Esteem) und den in Italien als Seriensieger aufgetretenen Waldbrand (Tiger Hill) gebracht. Wurftaube ist Halbschwester der dreifachen Gr. III-Siegerin Wurfscheibe (Tiger Hill). Die Abstammung von Wiesenpfad ist somit tadellos, über Jahre hinweg hat die Linie immer wieder Klassepferde gebracht. Er selbst war zunächst einmal ein unauffälliger Youngster, wuchs im Gestüt Simmenach auf, wurde in der Schlenderhaner Dependance Disternich angeritten und kam zu Waldemar Hickst ins Training. Dreijährig legte er beim zweiten Start seine Maidenschaft ab, gewann dann im Herbst in Folge den Preis des Casino Baden-Baden (LR), den Grossen Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf (Gr. III) und schließlich Mitte November auf tiefer Bahn den Hessen-Pokal (Gr. III) in Frankfurt. Dies alles auf Distanzen zwischen 1600 und 2000 Metern, der Radius des Hengstes . Die Waldrun-Familie hat in der Regel Steher mit einer Vorliebe für durchlässigen Boden gebracht, letztere Bedingungen mochte auch Wiesenpfad, aber durch die Vaterschaft von Waky Nao war bei zweitausend Metern die Grenze des Stehvermögens erreicht. Die Leistung aus dem Hessen-Pokal, als immerhin 14 Gegnern auf den Plätzen landeten, war aber aller Ehren wert.
Vierjährig benötigte Wiesenpfad zwei Aufbaustarts, war dann aber im Sommer in Bestform, als er ein Listenrennen über 1700 Meter in Düsseldorf und dann in der Rekordzeit von 2:00,83 Minuten über 2000 Meter den Preis der Sparkassen-Finanzgruppe (Gr. III) auf seiner Lieblingsbahn Baden-Baden gewann. Das war sicher eine der besten Leistungen seiner Karriere, zumal der Boden an diesem Tag fast schon etwas zu trocken war. Im Frankfurter Merrill Lynch Euro-Cup war er anschließend knapp geschlagener Dritter, beim letzten Saisonstart jedoch über den Berg. Fünfjährig ging es mit Siegen in der Badener Meile (Gr. III) und im Grossen Preis der Wirtschaft (Gr.III) gut los, später im Jahr konnte sich Wiesenpfad auf Gruppe-Ebene noch platzieren. Letzte Saison waren nur noch zwei Starts möglich, doch war er noch einmal im Preis der Sparkassen-Finanzgruppe (Gr. III) erfolgreich. In vier Rennzeiten konnte der Hengst stets mindestens ein Gruppe-Rennen gewinnen, bekam stets ein GAG von 95 Kilo. In der Konstanz und Härte, auch wenn er stets dosiert eingesetzt wurde, zeigte er sich also seiner Familie, die so viele gute Pferde hervorgebracht hat, absolut würdig.
Mit einer Decktaxe von 2.500 € ist Wiesenpfad sicher reell eingeschätzt. Wir werden an dieser Stelle in den kommenden Wochen die deutschen Deckhengste nach Preiskategorien unterteilt noch einmal unter die Lupe nehmen, der Markt in dieser Sparte ist, das muss man nicht betonen, hart umkämpft. Der Hengst steht aber auf der Liste auch von prominenten Zuchten, so dass er zumindest eine gute Startchance bekommt. Einen gewissen Sympathiebonus hat er sich in einer Zeit, in denen das Gros der besten deutschen Pferde mehr und mehr ausschließlich im Ausland läuft, über die Jahre sicher verdient.
Quelle: www.turf-times.de - Newsletter Ausgabe 97